Kultkiosk am Bahnhof

 

Jedes Mal, wenn ich aus Frankfurt, Berlin oder Hamburg zurück in meine neu gewählte Heimatstadt Zittau fahre, scheint es, als würde ich eine völlig neue Welt passieren. Anfangs ist der Zug noch gut gefüllt mit Businessmännern, feierndern Menschen und auch der Klang verschiedener, fremder Sprachen schwirrt im Zug umher. Doch umso weiter der Zug Richtung Osten fährt, umso klarer wird die Sicht auf die übrigen Mitreisenden. Spätestens ab Dresden kann man es sich auf zwei Sitzen gemütlich machen und auch die Sprachen werden vertrauter. Das Deutsche, Tschechische und Polnische wird allgegenwärtig, sodass es manchmal auch zu kurzen Aussetzern kommt und ich kurz nachdenken muss, um zu realisieren, in welchem Land ich mich überhaupt befinde. So sehr hat man diese Sprachen schon verinnerlicht. In Zittau angekommen, steigt meist nur eine Handvoll Menschen aus. Das erste, was einem begegnet ist der Bahnhof.  Das Gebäude selbst erscheint groß, geradezu prachtvoll wirkt das lichtdurchflutete Atrium. Die restliche Schmucklosigkeit und Nacktheit des leeren Gebäudes sind bewundernswert. Es markiert das Tor in eine andere Welt. Das Tor zu Osteuropa. Und mittendrin ein kleiner charmanter Kiosk, wie man ihn in anderen Teilen Deutschlands vergeblich sucht.

 

Vor dem Kiosk steht eine kleine Blumenpyramide, die nicht so recht ins Gesamtbild passen möchte. Davor ein paar Stehtische mit Sonnenschirmen. An einem der Tische stehen Andreas aus Zittau und Götz aus Olbersdorf. Sie finden sich dort fast täglich zusammen, um ihr Sternburg Bier zu trinken und prägen das Bild.

 

Andreas und Götz

 

 

Im Inneren gibt es sogar eine gemütliche Sitzecke, in der durchaus bis zu sechs Personen Platz finden. Am Morgen ist diese Sitzmöglichkeit fast immer besetzt. Die Atmosphäre im Kiosk selbst hat etwas Beruhigendes und Entschleunigendes, dies liegt vor allem am Kioskbetreiber selbst.

 

Herr Kolpe betreibt seinen Kiosk bereits seit Jahren. Er ist die Ruhe in Person und beeindruckt durch seine freundliche und liebenswerte Art. Täglich öffnet er um 6.00 Uhr und schließt um 17.00 Uhr. Am Wochenende gönnt er sich etwas längeren Schlaf und öffnet von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr. Das Speiseangebot ist zwar klein, doch dafür in hoher Qualität. Die Brötchen sind liebevoll belegt, der Kuchen selbstgebacken, die gekochten Eier von glücklichen Hühnern und natürlich gibt es auch die Klassiker wie Schweineschnitzel und Bockwurst mit Senf. Der Kaffee ist zwar kein Barista, doch ein ehrlicher Filterkaffee, der schmeckt.

 

 Kioskbetreiber Herr Kolpe

 

Dieser Kiosk stimmt darauf ein, was einen bei unseren tschechischen
und polnischen Nachbarn und auch in Zittau selbst erwartet. Vor allem Authentizität.
Hier dominiert nicht das Einheitsbild der Großstadt. Ketten wie Starbucks, Primark oder Ikea sucht man vergeblich. Dafür begegnet man Menschen und Orten, die durch ihre Einzigartigkeit inspirieren und wird bei der Ankunft von dem sympathischsten Bahnhofskiosk in ganz Deutschland begrüßt.